Freitag, 1. Mai 2020

Das Café am Rande der Welt

Meine erste Buchrezension seit so vielen Jahren.
Tatsächlich hat sich mein Büchergeschmack etwas verändert. Nun sind es nicht nur die Thriller oder die Fantasy-Titel, die es schaffen, meine Aufmerksamkeit zu erhaschen - auch historische Romane und Selbstfindungsbücher finden sich nun in meinem (virtuellen) Bücherregal wider.

Vor einiger Zeit habe ich nämlich audible.de (Achtung: unbezahlte Werbung) für mich entdeckt - was mir hilft, das Lesen - oder vielmehr Hören - viel besser in den Alltag zu integrieren. So wird das Autofahren oder Aufräumen zu einem Bucherlebnis.

Gerade beim Autofahren könnte es von Vorteil sein, Ruhigeres zu hören und nicht von Spannung getrieben, das Lenkrad zu verreißen. Titel, die mich weiterbilden - sei es, mein geschichtliches Wissen betreffend oder in Bezug auf die (eigene) Persönlichkeitsentwicklung, stellen meinen Fokus bei Hörbüchern dar.

Weil ich nicht aufhören kann, es zu wiederholen: Ich habe Wirtschaftspsychologie studiert und gerade der psychologische Anteil hat mich hierbei sehr interessiert. Ich mag es, ins Grübeln gebracht zu werden - zu philosophieren und unterschiedliche Szenerien zu erträumen. Ich möchte verstehen, warum sich Menschen für oder gegen etwas entscheiden - gerade, wenn die Wahl aus Sicht Dritter als irrational und nicht nachvollziehbar eingestuft wird. Was bewegt Menschen, was bewegt mich?
Diese Fragen stelle ich mir auch beim Schreiben, Ich möchte, dass meine Leser eine Entwicklung der verschiedenen Charaktere beobachten können. Die Grenzen zwischen Realität und Fiktion sollen verschwimmen. Ich möchte meinen Buchfiguren eine Stimme geben und ihre Geschichte erzählen.

So hat vor einigen Wochen auch

"Das Café am Rande der Welt" von John Streckely 

sich neben die Titel "Gefühle sind keine Krankheit" (Christian Peter Dogs) und "Du musst nicht von allen gemocht werden" (Ichiro Kishimi) in meine Hörbuchbibliothek eingereiht.

Ich muss sagen, dass mir die Stimme des Sprechers - noch schlimmer bei Teil 2: "Wiedersehen im Café am Rande der Welt" nicht gefällt und das Hörerlebnis daher etwas abwertet - aber, wie heißt es so oft: Auf die inneren Werte kommt es an.

Dennoch wäre es schön gewesen, wenn auch die Hülle passt. Tatsächlich: Im Buchhandel hätte mich das Cover nicht angesprochen - vermutlich hätte ich das Buch nicht einmal wahrgenommen.
Ich habe es mir aufgrund von Empfehlungen gekauft und es nicht bereut.

Im Gegensatz zu den anderen beiden Titeln, ist "Das Café am Rande der Welt" mit seinen 2 Std 46 min. ein richtiges Intermezzo. Schnell gehört, das Wesentliche auf den Punkt gebracht - wenn auch, unter recht seltsamen Bedingungen.

Ich meine, welches Café hat mitten in der Nacht geöffnet und seit wann flippt man nicht aus, wenn plötzlich das dortige Personal recht übergriffig die Position eines Psychiaters einnimmt und den Lebensstil seiner Gäste hinterfragt? Bei dem, was John in einer Nacht verarbeitet und realisiert, hätte es unter normalen Umständen wahrscheinlich ein paar mehr Sitzungen gebraucht - naja, Gedankenlesen bringt da wohl ein paar zeitliche Vorteile mit sich. Wer die Aspekte der Logik daher nicht in den Hintergrund drängen kann, wird mit dem Buch wahrscheinlich keine Freude haben. Doch, so wie John sich auf die Situation einlässt, so kann es auch der Leser tun und ich denke, dieses Vorgehen stellt einen Gewinn dar.

Übrigens - kleiner Nebengedanke: Ist es nicht eigenartig, dass in den USA ein eigener Psychiater/Therapeut als Statussymbol angesehen wird - während wir hier in Deutschland das Ganze verurteilen - schlimmer noch: damit sogar einen Ausschluss an verschiedenster Versicherungen generieren? Der Student, der mit dem Leistungsdruck nicht klar kommt, unter Prüfungsangst leidet und sich professionelle Unterstützung holt, wird bestraft, diese "Schwäche" gezeigt zu haben. Ebenso, wie das Kind, das unter der Trennung der Eltern leidet etc. etc.
Ich finde dieses Vorgehen furchtbar. Für mich steht da eine enorme Kraft hinter, sich Unterstützung von außen zu holen - ob Therapeut oder Freund. Sich zu öffnen, zu reden, Ordnung in die eigenen Gedanken zu bringen, bestrebt zu sein, zu heilen - das ist für mich nichts Verwerfliches und sollte nicht derartig unterdrückt werden. Bei einer Gesellschaft, die innerhalb von Sekunden urteilt, Bewertungen mittels Klicks verteilt - geht manchmal verloren, dass hinter jedem Post, hinter jedem Bild, ein Mensch steht, der Gefühle hat und dass diese Person einzigartig ist und es verdient hat, gesehen zu werden. Haben wir vielleicht verlernt, zuzuhören?

Mich würde interessieren, wir Du darüber denkst. Hinterlasse mir doch gerne einen Kommentar oder schreib mich auf Instagram an: patricia.bellasie

Nun aber zurück zum Eigentlichen:
Tatsächlich möchte ich nicht an meinem alten Bewertungsmuster festhalten, und Cover/Klappentext/Figuren/Geschichte bewerten, sondern stattdessen mit Euch ein paar Zitate teilen, die mir gefallen haben.
"Bisher hatte ich Entscheidungen in meinem Leben meistens aufgrund anderer Überlegungen getroffen, zum Beispiel auf Grund von Ratschlägen meiner Familie, weil es irgendeinen sozialen Druck gab oder aufgrund der Meinung anderer Leute."
"Trotz allem, was uns beigebracht wird, was wir glauben sollten, trotz allem, was wir in der Werbung hören oder was wir empfinden, wenn wir in der Arbeit gestresst sind - wir alle kontrollieren jeden Moment unserer Lebens selbst. Ich hatte das vergessen. So ließ ich zu, dass alles Mögliche mein Leben beeinflusste und versuchte mich dementsprechend anzupassen."
"Die Schildkröte kämpfte nie gegen die Wellen an, sondern nutzte sie für sich."  
"Vielleicht wird das Geld weniger wichtig." 
"Tue was immer du willst und was deiner Bestimmung entspricht."
"Um ganz wir selbst zu sein, müssen wir unser wahres Selbst zulassen."




Die Erkenntnisse des Buches liegen daher - in meinen Augen - nicht in der Beantwortung der Fragen:


  • Warum bist du hier?
  • Hast du Angst vor dem Tod?
  • Führst du ein erfülltes Leben?


Sondern in der Frage: "Bist du wirklich von Herzen glücklich und ist es dein Glück?"

Wenn man sich die Frage(n) stellt, dann wird es schwierig sein, sich einfach wieder blind zu stellen.
Man beginnt, zu analysieren - Wege und Entscheidungen zu hinterfragen und vor allem an sich selbst zu zweifeln. Gerade, weil man das Gefühl hat, sich Selbst gar nicht zu kennen. Dieses Buch kann eine Entwicklung lostreten, die einen wie eine Lawine unter sich begraben kann - doch kleiner Survival-Tipp: Versuche mit der Lawine zu schwimmen, nicht aufzugeben und bald wirst du spüren, wie die Last, die auf deinen Schultern gelegen hat, langsam weniger wird. Das kann bedeuten, dass man wie die Besucher des Cafés neue Wege ausprobieren wird. Vielleicht, um festzustellen, dass der ursprüngliche der richtige Pfad war - oder auch, um aus diesem Leben ein Abenteuer zu machen und möglichst viele Kilometer hinter sich zu bringen - zu erleben und zu genießen.
Auch, wenn ich an das Prinzip der Wiedergeburt glaube - so ist es aber nur ein Leben, auf das man später zurückblicken wird und dann sollte man nichts bereuen.

"Bereue nie, was du getan hast, wenn du dabei glücklich warst" 
(Unbekannt)


ABER: Es kann auch sein, dass das Buch nur ein Buch ist und bleibt. Dass Du die Geschichte von John schulterzuckend zur Kenntnis nimmst, die Seiten zuschlägst und dich einem neuen Abenteuer widmest.

Egal, welchen Weg du gehst - egal, wie schnell, wie langsam oder mit wie vielen Richtungswechseln - alles ist egal, so lange es dein Weg ist und dieser dich glücklich macht oder zu deinem Glück führt.

Kleine Warnung: Das heißt für mich natürlich nicht, nur noch egoistisch im Schnellschritt dahinzustampfen oder das alles was man tut, auch damit gerechtfertigt werden kann.
Ich habe von dem Buch oder vielmehr dem Autor gelernt, mehr auf mein Bauchgefühl zu hören - reflektiert zu bleiben und stetig dazu bestrebt, mich weiterzuentwickeln.

Verurteile Deine Mitmenschen daher nicht für die Ratschläge, die sie Dir erteilen. Sie meinen es gut und sprechen aus ihren eigenen Werten oder werden durch gesellschaftliche Standards geformt - letztendlich kann ein jeder für sich selbst entscheiden, wie viel Gewicht er diesen Aussagen verleiht und welchen Weg er bestreiten will.

Ich wünsche Dir auf jeden Fall viel Erfolg und kann daher für diesen Titel eine ehrliche Kaufempfehlung aussprechen.





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